Apr 082013
 

Im Jahr 2005 erzählte mir eine Bekannte eine Geschichte und bat mich, sie etwas auszuschmücken und aufzuschreiben. Es war sozusagen meine erste Auftragsarbeit. Diese möchte ich euch heute vorstellen. Ich hoffe, sie gefällt euch so gut, wie meiner Auftraggeberin.

Bis zu den Sternen

Ich erinnere mich, als wäre es gestern. Ungefähr sieben oder acht Jahre war ich alt. Die Wochenenden verbrachte ich regelmäßig bei meinen Großeltern.
Aber dieses Wochenende sollte das letzte sein, was ich bei ihnen verbringen durfte, denn beide wollten auf eine Weltreise gehen, die mehrere Monate dauern würde.
Ich war sehr traurig und enttäuscht. Wie konnten sie mir so etwas antun?
Mich einfach… verlassen?
Meine Großmutter tröstete mich und fragte:
„Weißt du überhaupt wie lieb ich dich hab?“
Ich schüttelte den Kopf.
Sie ging mit mir ans Fenster, zog die Gardine bei Seite und deutete auf die Sterne, die wir sahen.
„Bis zu den Sternen und zurück!“
Ich lächelte selig, konnte mir die Entfernung zwar nicht vorstellen, aber ich wusste, es war weit, und somit hatte sie mich ganz doll lieb!
Leise flüsterte ich noch beim Einschlafen ‚Bis zu den Sternen und zurück‘.


In den nächsten Tagen, besonders an den Wochenenden, dachte ich an meine Großeltern. Und immer, wenn ich nachts zum Himmel sah, kamen mir Großmutters Worte in den Sinn.
Auch wenn ich irgendwelche Sorgen hatte, oder Sehnsucht, schaute ich die Sterne an und dachte an die Worte meine Großmutter.
Als die Weltreise der Großeltern vorbei war, erzählten sie bei jeder Gelegenheit über ihre Reise.
Und immer, wenn wir abends nach Hause fuhren, verabschiedete sich meine Großmutter mit den Worten von mir:
„Bis zu den Sternen und zurück!“

Ich wurde irgendwann erwachsen.

Robert gefiel mir gleich beim ersten Treffen und wir gründeten eine Familie. Meine Großmutter erlebte die Geburt unserer ersten Tochter leider nicht mehr, aber immer noch, wenn ich abends in die Sterne schaute, hörte ich die Worte von ihr:
„Bis zu den Sternen und zurück!“ Und immer noch machte mich dieser Gedanke glücklich.
Wir bekamen drei Kinder und lebten in einer glücklichen Ehe. Ich erzählte den Kindern viel von ihrer Urgroßmutter und sie schlossen sie genauso ins Herz wie ich. Aber die Geschichte mit den Sternen erzählte ich ihnen nicht, das sollte meine geheime Erinnerung an Großmutter sein.

Inzwischen bin ich selbst Großmutter.
Max, mein Enkel, ist sieben Jahre alt und ein fröhliches aufgewecktes Kind. Er ist gern bei uns.
Aber morgen werde ich mit Robert, meinem Mann, auf eine große Reise gehen, zu den Pyramiden, das hab ich mir mein Leben lang gewünscht.
Bevor Max ins Bett geht, ziehe ich ihn liebevoll in meine Arme und unterhalte mich lange mit ihm. Plötzlich fragte Max mich:
„Omi, wie lieb hast du mich?“
Ich nehme ihn auf meine Arme und gehe mit ihm ans Fenster, schiebe die Gardine zur Seite und flüstere ihm zu:
„Bis zu den Sternen und zurück!“
Max‘ Augen leuchten und ich erkenne, wichtiger als die Zeit die wir miteinander verbringen, ist die Liebe, denn die Liebe überdauert alle Zeit.

Liebe Grüße

cat
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  2 Antworten zu “Bis zu den Sternen”

  1. Liebe cat,

    diese wunderbare Geschichte rührt mein Herz. Danke, dass Du uns daran teilhaben lässt.

    Herzlichst
    Manuela

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