Dez 152014
 

Heute könnt ihr hier die Geschichte von mir lesen, wdlche ich heute beim Konzert in der Nahetalklinik, in drei Teilen, vorgelesen habe.

Das Licht
© Claudia Sohler / Oktober 2010

Die Abenddämmerung kam mit großen Schritten über das Land, als der Mäusejunge Anton sich auf den Weg zu seinem Lieblingsplatz machte. Geschickt nutzte er Mauervorsprünge und Lücken in der Wand der alten Scheune aus, um auf den Sims im obersten Fenster zu kommen. Dort war er den Sternen nah, die er so mochte. Anton glaubte, sie würden nur für ihn dort oben am Himmel stehen und ihm zuzwinkern. Manchmal, ganz heimlich, zwinkerte er zurück. Aber er musste aufpassen, dass keiner seiner Freunde ihn dabei beobachtete, denn sie lachten ihn immer aus, ob seiner Leidenschaft für die funkelnden Dinger am Himmelszelt.
Endlich oben angekommen, genoss er zufrieden den Blick über die Häuser und Straßen der Umgebung, als ihm ein wanderndes Licht auffiel. Es hüpfte durch die Straßen und erschien bald an der einen und dann wieder an einer anderen Stelle der Stadt. Und irgendwie wurden es immer mehr Lichter, die durch die Straßen wanderten. Es waren warme Lichter, solche, die die Herzen erwärmen und die Seele glücklich machen.

Geschwind verließ er seinen Platz und huschte hinab zu seiner Großmutter Cilia.
„Oma Cilia, komm mit, ich muss dir etwas zeigen.“, rief er schon weit vor ihrem Nest.
„Anton, du weißt doch, dass ich nicht mehr so gut zu Fuß bin. Was willst du mir denn zeigen?“
„Ein Licht, Oma. Ein ganz eigentümliches, sonderbares Licht. Es macht die Herzen warm und im Kopf macht es ganz glücklich!“
„Ein Licht, das die Herzen warm macht, soso. Weißt du, ich habe auch einmal so ein Licht gesehen. Und meine Oma erzählte mir eine Geschichte dazu. Willst du sie hören?“
Anton liebte die Geschichten von seiner Oma Cilia und wusste ganz genau, dass auch die anderen Kinder der Mäusefamilien, die in der Scheune lebten, Cilias Geschichten liebten. Also rief Anton Cilia zu: „Warte etwas Oma, ich hole die anderen, dann kannst du es uns allen erzählen.“ Seine Barthaare zitterten vor Aufregung als er davon eilte.

Wenig später war die ganze Mäusekinderschar vor Cilias Nest versammelt und da auch die meisten erwachsenen Mäuse Cilias Geschichten liebten, waren auch viele Mäusemütter und Mäuseväter mitgekommen. Alle saßen dicht an dicht, um Cilias Geschichte zu hören.

Cilia begann zu erzählen:
„Die Geschichte, die ich euch heute erzählen möchte ist schon sehr alt. Meine Großmutter hat sie mir erzählt, und die hatte sie von ihrer Großmutter und diese wieder von ihrer und so fort. Es ist die Geschichte unserer Scheune, die einst ein berühmtes Gebäude war, bis sie in Vergessenheit geriet. Und es ist die Geschichte eines Lichts. Eines, wie Anton es heute sah.“
Kurz unterbrach Cilia ihre Erzählung, um Anton liebevoll anzusehen.
Doch dann schloss sie die Augen und begann von neuem zu erzählen: „Es ist schon viele Jahrhunderte her, vielleicht auch Jahrtausende. So genau weiß ich das nicht. Auch damals war die Scheune schon alt, aber sie hatte noch alle Fenster und Türen und wurde als Stall genutzt. Das Heu trocknete hier in einer Ecke und wenn ein Gewitter oder Regen nieder ging, wurden die Schafe und Ziegen hereingeführt und gefüttert. In einer Krippe, die nah beim Eingang stand, steckten Stroh und Heu.

Eines Abends kamen zwei Fremde. Vielleicht hatte man nirgends sonst einen Platz für die beiden, denn sie machten es sich, so gut es eben ging, auf dem Heu und Stroh bequem. Es war zu sehen, dass die Frau nicht weiter konnte, denn sie würde in dieser Nacht ihr Kind bekommen.“
„Waren das Menschen?“, fragte die kleine Jona vorwitzig dazwischen.
Von allen Seiten erntete sie ein zischendes: „Pssssssssssst“ und schnell verkroch sich das Mäusemädchen wieder an der Seite seiner Mutter.
Cilia störte die Zwischenfrage nicht, geduldig antwortete sie: „Ja, gewiss. Das waren Menschen. Besondere Menschen, wie du gleich erfahren wirst, wenn du still bist!“

Die Mäuseoma blickte einmal in die Runde und erzählte weiter: „Es war ein Junge, der geboren wurde. Die Mutter legte ihn in die Krippe. Sie hatte ja kein Bettchen und auch keine Wiege für ihn, also bettete sie ihn auf dem Stroh und Heu, so wie wir Mäuse das mit unseren Kindern tun. Es war kalt geworden und jemand ließ die Tiere herein, die sogleich einen schützenden Kreis um Mutter und Kind bildeten und die zwei mit ihrem Atem wärmten. Schon da war es unserer Vorfahrin klar, dass es sich um ein besonderes Kind handeln musste.
Wie Recht sie damit hatte, zeigte sich einen Tag später.
Der Mann brachte trockenes Holz und zündete gerade ein Feuer an. Das Kind lag wieder in der Krippe und schlief. Da kamen einige Hirten und Hirtenjungen und erzählten, dass sie draußen im Feld einen Engel getroffen hätten, der ihnen die Geburt des Christuskindes angekündigt hatte. Sie waren sogleich herbei geeilt um das Kind zu sehen und ihm Geschenke zu überreichen.
Das Kind schlief in seiner Krippe und bekam von der ganzen Aufregung kaum etwas mit. Nur gelegentlich öffnete es die Augen und schaute umher. Ein Hirtenjunge hatte ihm ein Licht mitgebracht, so ein Licht, welches die Herzen warm macht und die Seele glücklich. Es stand ganz nah an der Krippe und wenn das Baby seine Augen öffnete, sah man, wie sich das Licht in seinen Augen spiegelte.

Wenige Tage nach der Geburt des Kindes trafen drei reiche Männer an der Scheune ein. Sie erzählten, dass sie einem Stern gefolgt waren, der sie direkt zu diesem Platz gebracht hatte. Sie ließen ebenfalls Geschenke da und versprachen, aller Welt von der Geburt eines neuen Königs zu berichten.

Eines der vorwitzigen Mäusekinder der damaligen Zeit konnte es natürlich nicht lassen und spazierte über den Rand der Krippe, als das Kind darin lag und schlief. Der kleine Junge öffnete seine Augen und schaute das Mäuschen an. Seine Augen waren groß, voller Güte und irgendwie weise, obwohl er doch gerade erst geboren war. Lächelnd sah er dem Mäuslein nach, das schnell machte, dass es wieder in sein Mäuseversteck kam. Noch lange nachdem die Familie weiter gezogen war, erzählte das Mäusejunge von seinem Erlebnis.“

Eine ganze Weile blieb es still.
Dann fragte Anton in die Stille hinein: „Und was hat das mit dem Licht zu tun, das heute durch die Straßen hüpft?“ Einige Mäuse stimmten ein und fragten: „Ja, was?“
Cilia blickte in die Runde, ehe sie weiter sprach: „Das Licht, ja. Wisst ihr, die Zeit, die jetzt angebrochen ist, die nennen die Menschen Advent. Das bedeutet Ankunft. Sie bereiten sich auf die Ankunft des Christuskindes vor. Oder richtiger: Auf den Tag der Geburt des Kindes, das damals in der Krippe lag – den heiligen Abend.
An den Tagen im Advent zünden die Menschen Kerzen an. Diese verbreiten das Licht, das die Herzen wärmt. Und manchmal gehen sie mit den Kerzen durch die Straßen der Stadt, so wie heute.“ Oma Cilia schaute die anderen Mäuse versonnen an. „Geht und seht es euch an und vergesst die Geschichte nicht, damit sie auch noch in vielen Jahren von unserer alten Scheune erzählt.“

Das war vielleicht ein Gewusel, welches daraufhin losbrach. Jeder wollte der erste sein, der die Lichter sieht. Und so saßen wenig später, dicht an dicht gedrängt, fast alle Mäuse, die in der Scheune lebten, auf den Simsen und schauten dem Treiben der Menschen zu.
Es war wunderschön anzusehen, wie viele kleine Lichter sich zu einem großen Zug zusammenfanden. Und noch viel feierlicher wurde es, als die Menschen anfingen Lieder zu singen, die von der Ankunft des Christuskindes erzählten. Alle Mäuse verstanden jetzt wovon die Menschen sangen und bei vielen blieb die Geschichte in Erinnerung. Und deshalb wird diese Geschichte auch jetzt noch jedes Jahr zur Weihnachtszeit bei den Mäusen erzählt und so von Generation zu Generation weitergegeben. Denn jedes Jahr gibt es einen Anton, der neugierig ist und eine Cilia, die sich erinnert.

Liebe Grüße

cat

  2 Antworten zu “Das Licht”

  1. Ach, liebste cat,

    was für eine liebliche Geschichte!!

    <3lichst
    Manuela

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