Jan 222014
 

Die Geschichte ist im Jahr 2005 entstanden. Und ich glaube, sie könnte mal überarbeitet werden, oder lohnt sich der Aufwand nicht? Was meint ihr?

Managerkrankheit

Tick …
Tack …
Tick …
Tack …

Tom schaute auf das Kalenderblatt über seinem Bett. Seit zwei Tagen also.
Seit zwei Tagen hörte er nichts anderes mehr. Nur immer dieses:
Tick …
Tack …
Dazwischen war atemlose Stille. Nichts, rein gar nichts… nur dieses Tick… und wenig später das Tack…


Er war wach und sah wie die Krankenschwester sein Zimmer betrat und die Vorhänge zur Seite schob. Lächelnd drehte sie sich um, sagte etwas und da Tom als Privatpatient ein Einzelzimmer hatte, konnte sie nur mit ihm gesprochen haben.
Er konnte sie nicht verstehen, deutete ihr jedoch durch Handzeichen an, dass er Hunger und Durst hatte.
Offenbar verstand aber die Schwester ihn, denn augenblicklich verschwand sie und kam wenig später mit einem Tablett, auf dem sich Brötchen, Butter, Marmelade und Käse türmten, zurück und stellte es auf das Tischchen am Fenster. Auch an Kaffee hatte sie gedacht.
Lächelnd bedankte er sich. Jedenfalls glaubte Tom das, denn hören ob er etwas gesagt hatte, konnte er nicht.

Langsam aß Tom und konnte dabei einen atemberaubenden Sonnenaufgang betrachten.
Wäre da nicht dieses dauernde Ticken und Tacken in seinem Kopf, würde er vielleicht sogar versuchen die Krankenschwester etwas näher kennenzulernen.
‚Wenn das blöde Ticktack nicht wäre, wärst du gar nicht hier!‘ kam Tom aber sogleich ein anderer Gedanke und er sah sich grübelnd im Zimmer um. Vor zwei Tagen war er bewusstlos hier eingeliefert worden, nachdem er… was hatte er eigentlich gemacht? Warum nur konnte er sich nicht erinnern? Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sich Tom richtiggehend hilflos. Er konnte sich einfach nicht daran erinnern was passiert war.

Ob Alzheimer so anfängt?

Plötzlich schmeckten Tom der Kaffee und die Brötchen nicht mehr. Er hatte keinen Blick mehr für den wunderschönen Morgen und die Spatzen, die vor seinem Fenster im Gras hin und her hüpften und fangen spielten.

Mürrisch stand er vom Tisch auf und legte sich wieder ins Bett, den Kopf vom Fenster abgewandt. Die Tür öffnete sich etwas später und eine Gruppe von Ärzten trat ein.

Einer von ihnen beugte sich vor und sprach ihn an:
„Sagen Sie, Herr Müller, wie geht es Ihnen denn heute? Können Sie mich verstehen? Wissen Sie was passiert ist?“

Ein Gedankenblitz erhellte Toms Gehirn und er sagte, fast brüllend:
„Die Uhren, ich habe die Uhren kaputt gemacht!“

Besorgt schauten sich die Ärzte an und Tom Müller wurde wieder gefragt:
„Wovon reden Sie?“

Tom war froh, es war ihm etwas eingefallen, etwas, was vor seinem Krankenhausaufenthalt passiert war. Aber die Ärzte schienen ihn nicht zu verstehen, denn immer noch schauten sie zweifelnd auf ihn herab.
Also versuchte es Tom noch einmal:
„Die Uhren, ich habe alle meine Uhren kaputt gemacht, ich kann nichts mehr hören seit dem!“

Wieder schauten sich die Ärzte etwas ratlos an und plötzlich hatte Oberarzt Pech eine Idee:
„Wir sollten ihm etwas zum schreiben bringen, vielleicht kommen wir so weiter. Außerdem würde ich vorschlagen seine Hirnströme zu messen und unbedingt seine Ohren zu untersuchen. Vielleicht wissen wir dann mehr! Übrigens las ich vor zwei Wochen in einem Internetforum von einem ähnlichen Fall. Dort hatte der Patient nach einem großen Trauma, welches er erlitten hatte, kurzzeitig sein Gehör verloren. Ich werde gleich schauen ob ich diese Meldung wieder finde.“

Alle waren einverstanden und Oberarzt Pech ging sofort an seinen PC und machte sich im Internet auf die Suche nach der Ursache für diese sonderbare Krankheit. Aber den Fall, an den er sich erinnert hatte, konnte er nicht finden. Er suchte über eine Suchmaschine und stieß nach längerer Zeit auf einen kleinen Hinweis.

Eine unscheinbare Meldung in der Lausitzer Rundschau, gleich neben dem Bericht ‚Glashütte versteigert einmalige Frauenkirchenuhr‘ zog ihn magisch an. Oberarzt Pech las mit wachsendem Erstaunen:
Managerkrankheit?
Seit Tagen grassiert eine neue Krankheitsform unter besonders beanspruchten Managern.
Wie uns aus mehreren Quellen übereinstimmen berichtet wird, verlieren die Patienten vorübergehend ihr Gehör. Wie lange die Krankheit andauert, ist unterschiedlich.
Die genaue Ursache ist noch nicht bekannt, aber die Manager nahmen alle an einem Symposium mit dem Titel:
Wie vermehre ich meine Zeit – Die Uhr hat ausgedient!
teil. Zwei Patienten konnten durch eine Basteltherapie teilweise geheilt werden. Ihr Gehör wurde soweit wieder in Stand gesetzt, dass sie alles verstehen können. An die Zeit während der Krankheit können sie sich nur undeutlich erinnern.
Für genauer Therapieanweisungen setzen Sie sich bitte mit der Kurhausklinik, 01768 Glashütte in Verbindung.

Oberarzt Pech rief also die Auskunft an und erhielt dort die Nummer der Kurhausklinik. Es dauerte ungefähr zehn weitere Anrufe und zwei Stunden bis er den richtigen Ansprechpartner gefunden hatte. Er gewisser Doktor Sekunda erklärte ihm folgendes:
„Die bisher aufgetretenen Krankheitsbilder ähneln sich alle ein wenig. Alle Manager nahmen an einem Symposium teil, bei dem ihnen erklärt wurde, sie müssten zu Hause alle Uhren vernichten. Insbesondere die älteste Uhr der Familie, denn diese, bei den meisten handelte es sich um eine alte Wohnzimmeruhr mit Geläut, würden ihnen die Zeit stehlen. Sobald alle Uhren in ihrer Umgebung kaputt wären, könnten sie wieder frei über ihre Zeit verfügen …“

Oberarzt Pech war sehr erstaunt und fachsimpelte mit Doktor Sekunda über die möglichen Gründe einer solchen Erkrankung und dieses komische Symposium. Allerdings schien Sekunda noch keine genaueren Erkenntnisse zu besitzen. Er meinte, er bräuchte unbedingt noch mehr Patienten mit diesem Krankenbild um Forschungen betreiben zu können. Die beiden kamen überein den Patienten Tom Müller in die Klinik nach Glashütte zu verlegen. Vielleicht könnte ihm ja dort geholfen werden.

Tom war mit der Verlegung in die andere Klinik einverstanden, bestand aber auf einem schnellen Transport, zur Not würde er die Kosten selber decken. Also wurde Tom einen Tag später in einen Hubschrauber geschoben. Während des Fluges hatte er Kopfhörer auf, die hätte er aber nicht gebraucht, denn noch immer hörte er nur:
Tick …
Tack …

Unterbrochen von so vollkommener Stille, dass er inzwischen ab und zu bei einem Tick oder Tack erschrocken zusammen zuckte. Er genoss die wenigen Sekunden Stille, und hoffte nicht verrückt zu werden.

Die Klinik war etwas versteckt gelegen. Als er dort ankam, erwartete ihn ein helles Zimmer und freundliches Personal.
Inzwischen hatte er sich angewöhnt mit allen nur schriftlich zu kommunizieren. Verstehen konnte er ja niemanden und seine Aussprache schien mit dem Verlust des Hörens auch schlechter geworden zu sein.

Doktor Sekunda stellte sich vor und schrieb dem Patienten Müller seinen Therapieplan auf. Tom Müller war sehr erstaunt, denn an jedem Tag standen fünf Stunden Uhrenbau auf dem Plan. Fragend schaute er Doktor Sekunda an und dieser schrieb ihm folgende erklärenden Sätze auf den Bogen Papier:
„Für jede von Ihnen zerstörte Uhr, müssen mindestens fünfzig neue angefertigt werden.“

Toms Kopf schoss in die Höhe und sein Augen fixierten Sekunda. Er schaute ihm tief in die Augen.
‚Woher weiß er das?‘, fragte Tom sich und langsam setzte ein leichtes Erkennen ein. Das war doch der Symposiumsleiter! Wie hatte er sich noch vorgestellt? Genau, Doktor Sekura! Sekunda oder Sekura, klang ziemlich ähnlich, fand Tom. Außerdem konnte er sich plötzlich ganz deutlich an die kristallklaren Augen erinnern.

„Jaja, Sie brauchen mich nicht so groß anzusehen. Ich bin es wirklich, auch wenn ich Ihnen auf dem Symposium meinen wirklichen Namen selbstverständlich nicht genannt habe. Wie Sie sich inzwischen denken können, werde ich Sie als Arbeitskraft missbrauchen, bis wir es an der Zeit finden, Ihnen die kleine Sonde im Kopf zu entfernen, die alle Außengeräusche durch ihr Ticken und Tacken übertönt.“

Tom nahm das Blatt und schrieb:
„Welche Sonde?“
„Sie erinnern sich sicher an den letzten Abend des Symposiums, als wir einen Hypnoseversuch mit allen Teilnehmern durchführten?“, Tom nickte.
„Bei allen, die erfolgreich hypnotisiert werden konnten, wurden danach kleine Sonden in den Kopf eingesetzt. Damit dies nicht auffallen würde, erfolgte die Einsetzung über die Nase. Sicher erinnern Sie sich noch an leichte Schmerzen des rechten Nasenflügels am Tag ihrer Heimfahrt?“, fragte Sekunda schriftlich.
Tom nickte wieder und Sekunda fuhr fort:
„Die Sonde aktivierte sich, sobald alle Uhrengeräusche für länger als sechs Stunden in Ihrer Umgebung verschwunden waren …“ Sekunda hatte ein überhebliches Grinsen im Gesicht.

Tom nahm das Blatt und den Stift und schrieb nur ein einziges Wort:
„Warum?“
„Nun, Sie als Manager müssten eigentlich wissen, Uhren können Ihnen keine Zeit schenken, also können Uhren Ihnen auch keine Zeit stehlen. Uhren sind einfach nur ein Instrument um die Zeit anzuzeigen! Ob Sie eine Uhr haben oder nicht, die Sonne geht Morgens auf und Abends unter.“ Sekundas Grinsen verschwand und die kristallklaren Augen fixierten Tom kurz, bevor er weiterschrieb:
„Ich habe eine kleine Uhrenfabrik und dort werden sehr hochwertige Uhren hergestellt – exquisite Stücke. Jedes eine Einzelanfertigung. So etwas dauert lange, zu lange für einen kleinen Betrieb mit fünfzehn Mitarbeitern. Die Kunden reißen mir die Uhren aus der Hand …
Sie als Manager verstehen sicher, dass ich meine Kunden nicht zu lange warten lassen kann und außerdem müssten Sie auch wissen, die beste Arbeitskraft ist immer noch eine Arbeitskraft welche man nicht bezahlen muss. Im Gegenteil, ich bekomme selbstverständlich von Ihrer Versicherung Geld für Ihre Genesung.“

Tom war erstaunt, fassungslos und irgendwie schockiert. Er nickte traurig und verfluchte den Tag an den er sich dazu hinreißen ließ dieses verdammte Symposium zu besuchen. Aber wenn er dieses ticken und tacken je wieder los werden wollte, musste Tom wohl tun, was immer Sekunda von ihm wollte. Er nahm den Stift und schrieb:
„Wann fangen wir mit der Therapie an?“

Sekunda erkannte dass Tom Müller sich geschlagen gab und schrieb weiter:
„Wissen Sie was?“, Sekunda schaute Tom gespannt an und wollte sich schier ausschütten vor lachen. Dieser schüttelte betrübt den Kopf.
„So motivierte Arbeitskräfte hatte ich noch nie!“

Liebe Grüße

cat

 Veröffentlicht von am 22. Januar 2014 um 22:03  Kennzeichnung:

  4 Antworten zu “Managerkrankheit”

  1. Liebe cat,

    eine ungeheuerliche Geschichte – grusel … Was willst Du daran überarbeiten? Also ich finde sie gelungen!!

    Herzlichst
    Manuela

  2. Liebste cat,

    also meiner Meinung nach kann man diese Geschichte nicht kürzer erzählen/schreiben …

    Von Herzen wünsche ich Dir ein traumhaftes Wochenende!
    Manuela

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